Zum Abheben - Von Kappadokien nach Mesopotamien

27.04.2013

Nur noch 30 km Küstenstraße haben wir zu fahren, bevor wir ins Landesinnere nach Zentralanatolien abbiegen werden, da gerät die Alp auf gerader Strecke mächtig ins Schlingern - von Spurrillen keine Anzeichen, ich bringe die ganze Fuhre wie auf Moosgummi unterwegs am Straßenrand unter einem schattigen Baum zum Stehen. Die Diagnose ist schnell gestellt: ein richtig dicker Plattfuß - natürlich am Hinterrad. Ich lade erst einmal das Gepäck ab, denn die Alp hat leider keinen Hauptständer. Thomas nimmt die Sache in die Hand und baut das Hinterrad aus, was auch prima klappt, nachdem wir das Motorrad hinten mit Hilfe von Seitenständer und untergeschobenem Alukoffer anheben. Gerade haben wir den Mantel runter und wollen das Loch zum Flicken orten, da hält neben uns ein älterer Herr auf seinem Mofa. Schnell ist die Ursache für den unfreiwilligen Stopp gefunden, ein richtig dicker Nagel steckt bis zum Kopf im Mantel. Noch bevor wir das Flickzeug auspacken können, bedeutet der nette Türke Thomas, mitsamt Rad hinten auf sein Moped zu steigen, und die beiden entschwinden … dabei ist heute Sonntag, und kaum ein Geschäft oder eine Werkstatt hat geöffnet. Nach 15 Minuten tauchen sie wieder auf - der Reifen ist fachmännisch geflickt und kann wieder montiert werden! Ich bedanke herzlich mich mit Keksen und wenigstens einer kleinen Benzinbeteiligung für seine Mühe.

Schnell erklimmen wir die ersten 1.000 m des Taurus, da wird der Himmel über den Bergen so schwarz, wie wir es selten gesehen haben. Die Temperatur fällt in den Keller, und gerade noch rechtzeitig, bevor ein mächtiges Gewitter mit sintflutartigem Regen niedergeht, erreichen wir eine hölzerne Gaststube, wo wir unsere Motorräder auf der überdachten Veranda parken dürfen und uns ein Plätzchen zum Tee trinken und essen angeboten wird. Schnell bessert sich das Wetter wieder und am Nachmittag erreichen wir einen Camp-Platz in Kappadokien mit seinen fantastischen Tuffsteingebilden auf 1.200 m Höhe, die man auch Feenkamine nett. Seit nahezu 1.300 Jahren werkelten die Menschen (vorwiegend Christen) daran, sich hier unterirdische Städte von riesigen Ausmaßen, Kirchen, Lagerstätten und Wohnhäuser in die Felsen zu meißeln. Viele Kirchen sind zu besichtigen, die schönsten sind in einer Art Open Air-Museum gesichert, denn die Malereien darin sind einzigartig und so alt wie die Besiedelung. Bei einer Wanderung durch die unwirklichen, mit blühenden Apfel- und Aprikosenbäumen bewachsenen Täler entdecken wir überall verlassene Höhlen, die wir erkunden können oder einige, die noch bewohnt sind oder zur Lagerung von Früchten genutzt werden. Die Landschaft könnte auch gut zu Mittelerde passen und von J.R.R. Tolkien selbst entworfen worden sein...

Als wir am ersten Morgen aus dem Zelt schauen, glauben wir unseren Augen nicht zu trauen - der Himmel ist voller Ballons! Und da Thomas am nächsten Tag Geburtstag hat, heben auch wir morgens um 6 Uhr ab. Ein unbeschreibliches Erlebnis in dieser Landschaft! Wir fahren mit unserem "Piloten" durch die tiefen Taleinschnitte, so dass wir denken, das ist doch nicht möglich, um kurz darauf auf 800 m über Grund zu steigen. Einige Tage bleiben wir an diesem schönen Platz und lernen nette Leute kennen, die entweder auf dem Weg nach Südafrika sind oder gerade mit einem umgebauten Omnibus aus den 70ern aus Indien kommen, bevor wir über Krefelds gepflegte Partnerstadt Kayseri weiter Richtung Osten rollen. Bald wird das Rollen allerdings zum Klettern, als wir keine Lust haben, die Hauptstraße nach Adiyaman zu benutzen. So schraubt sich ein kleines Bergsträßlein die Pässe hinauf, und bald schon endet der Asphalt. Leider sind wir auf einer Baustellenstraße unterwegs, das erklären uns nach zehn Kilometern nette Bauarbeiter. Die Strecke soll im weiteren Verlauf noch unpassierbar sein, also wieder zurück den Berg runter und eine andere Abzweigung probiert. Nun sind wir richtig: 50 km ungesicherte Schotterstrecke geht es an den steilen Berghängen entlang mit Schlaglöchern, die zum Teil so tief wie Duschwannen sind, wir krabbeln hinauf und wieder hinunter. Und ich habe fünf rohe Eier fürs nächste Frühstück im Gepäck! Die sind aber in einer Plastiktüte in der Packtasche, die auf dem Alukoffer festgemacht ist (und alle bleiben tatsächlich heil wie sich am Abend herausstellt!). Die Aussichten, die wir dabei genießen, wenn wir gerade nicht auf den Weg achten müssen, sind atemberaubend, so schön haben wir uns den Hohen Taurus gar nicht vorgestellt. Unser Ziel soll für heute der heilige Berg Nemrut sein!

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