Wieder ist ein Reisetag angebrochen, die Zelte sind schnell abgebaut und verstaut. Das Wetter lässt wieder Gutes ahnen: Bereits jetzt am beinahe wolkenlosen Morgen sind es angenehme 17 Grad. Und die Aussichten auf die heutige Tour sowieso grandios - es geht durchs Atlas-Vorgebirge über den 2.300 m hohen Tizi N´Tichka. Die schneebedeckten Bergspitzen rücken immer näher, die wunderbare Auffahrt auf den Pass hat eine Länge von um die 80 km. Oben angekommen, ist Kathi superstolz, denn das waren gerade ihre ersten Serpentinen, die sie je gefahren ist … und sie macht die Sache gut! Es weht eine ordentliche Brise, und die Landschaft ändert sich von km zu km - die saftigen Täler weichen einer schroffen Berglandschaft, gehen bei der Abfahrt über in trockene Hügel- und Steinlandschaften. Hier bekommt Kathi einen Riesenschreck, als sie eine Ölspur nicht erkennt und ganz schön ins Schlingern gerät. Alles gut gegangen! Nach einer Herzklopf-Beseitigungs-Pause fahren wir weiter, bis wir Ait Ben Haddou erreichen und dort die schöne Pension Ayouze in Beschlag nehmen, unser Domizil für die nächsten drei Nächte. Eigentlich waren zwei geplant, aber Kathi hat leider irgendwas nicht so richtig vertragen, und so sind wir froh, dass sie den letzten Tag dort recht luxuriös auf der Couch der Dachterrasse verbringen kann - mit Nähe zu den Sanitäranlagen. Dank an Idriss Hamid, der sich so nett und freundschaftlich um uns kümmert!
Am ersten Tag in Ait Ben Haddou jedenfalls machen wir eine Wanderung durch die Palmengärten entlang des Flusses zu der alten Stadt, die aus gestampftem Lehm erbaut wie ein Schwalbennest am Berghang klebt und immer noch bewohnt und sehr lebendig ist. Von einer hier wohnenden Berberin erfahren wir, dass in ihrem Ort 27 Filme gedreht wurden, darunter "Der Gladiator" und "Sodom und Gomorrah". Und wir stolpern in den Gassen über ein amerikanisches Filmteam, das gerade die (keine Ahnung wievielte Fassung der) Bibel verfilmt. Sehr amüsant, wie die Einheimischen als Leute vor 2.000 Jahren verkleidet herumwuseln, einschließlich der dazu verpflichteten Esel, Schafe und Ziegen!
Bei unserem Aufenthalt hier lassen wir es uns auch nicht nehmen, die alte Karawanenstraße, die in früheren Zeiten Marrakech mit der Sahara verband, hinaufzufahren bis nach Telouet. Eine tolle Strecke, die das Motorradfahren zum Hochgenuss werden lässt! Kathi ruht sich an diesem Tag aus, um wieder Herrin ihres Inneren zu werden … Wir beschließen, am nächsten Tag aufzubrechen und diesen tollen Ort in Richtung Tinerhir zu verlassen, um die Gegend der Dades- und Todhraschlucht zu erkunden.
Die Tagesetappe von Ait Ben Haddou über Ouarzazate nach Tinerhir ( ca. 240 km) wird für Kathi zur echten Bewährungsprobe, wenn man das so nennen kann. Die "Straße der Kashbas" ist eine West-Ost-Verbindung, die auf mehr oder weniger 1.200 m Höhe immer an der südlichen Flanke des Hohen Atlas entlang führt. Kaum auf der Geraden angelangt, weht der einsetzende Nordsturm mit aller Macht von den Bergen und uns fast von den Mopeds. Hinzukommt der aufgewirbelte Sand der Ebene, der streckenweise zum Sandsturm mutiert. Anhalten macht überhaupt keinen Sinn, man hat keinen festen Stand, nirgends Schutz auf viele Dutzend Kilometer. Also weiter. … Beim ersten möglichen Halt ist Kathi mit den Nerven runter. Sie machte ihre Sache toll, aber das Fahren unter diesen Umständen ist schon grenzwertig. (Später erfahren wir, dass wir bei 9 Beaufort Seitenwind gefahren sind.) Nur allerbestes Zureden und die Aussicht, das hier mit Sicherheit zu überleben, wenn wir uns vorsichtig weiter voran tasten, helfen weiter. Ebenso die Aussicht, heute noch irgendwie Tinerhir zu erreichen und auf einem netten Campingplatz unterzukommen, der auch einen Pool hat (Inschallah …)
Es gelingt. Wenn auch nicht am gleichen Tag … 40 km vor dem erwarteten Ziel setzt die Dunkelheit ein und es wird gefährlich, weiterzufahren. Also schlafen wir in Boumalne du Dades unter einem festen Dach, um den Sturm vorüberziehen zu lassen. Die heiße Dusche ist unbezahlbar! Am nächsten Morgen fahren wir ruckzuck die 40 km zur Schlucht ab. Wir finden einen Platz (mit Pool …) 10 km die Todraschlucht hinauf, der Wind lässt hier merklich nach, bleibt uns aber für die nächsten drei Tage vor allem nachts erhalten. Die Höhe beträgt 1.500 m, das Wetter zeigt sich wieder ganz in blau bei 22 Grad. Den dreitägigen Aufenthalt hier nutzen Thomas und ich, um die Todraschlucht hinauf bis hinter Tamtatouchte zu erfahren und die noch eindrucksvollere Dadesschlucht in einer 220 km-Fahrt zu erkunden. Die Stecken sind gut zu fahren, einige unbefestigte rumpelige Passagen und Furtdurchfahrten wechseln mit recht gutem Asphalt ab. Die Dörfer werden immer abgelegener, die Menschen müssen hier sehr hart arbeiten, um auf dieser Höhe (um die 2.000 m) dem Boden noch etwas abzugewinnen. Die Felder sind winzig, wir wundern uns, dass hier überhaupt noch etwas Nahrhaftes wachsen soll. Die umwerfende Landschaft dort muss man aber gesehen haben, wie wir finden! Thomas will nach dieser Fahrt das Motorrad fahren an den Nagel hängen: "Ich bin die schönste Strecke der Welt gefahren und kann mir nicht vorstellen, dass ich das Motorrad für eine Eifelfahrt nochmal raushole!!!" (Am nächsten Tag hat sich diese Aussage allerdings wieder relativiert.) Die Bilder sollen sprechen …
Kathi hat heute erst einmal genug vom Fahren und vertreibt sich gern die Zeit unserer Abwesenheit auf dem Platz mit "chillen". Sie kann sich jetzt erstmal erholen, bald die Wüste sehen will sie auf jeden Fall.
Kein Wind, blauer Himmel. Also alles in bester Ordnung, und wir brechen auf, heute wollen wir den Erg Chebbi erreichen. Dieses größte Dünengebiet Marokkos liegt ca. 40 km westlich der algerischen Grenzend auf 800 m Höhe, wir haben wieder eine bequeme Tagesetappe von 260 km zu fahren. Kathi ist wieder guter Dinge, in Anbetracht der immer einsamer werdenden Strecken bemerkt sie: "Echt chillig hier!" Die Vegetation wird weniger, die ersten Sandfelder tauchen auf. Kurz vor Erfoud halten wir zum obligatorisch Tee an einem Bedu-Zelt, das geschäftstüchtig gleich an der Strecke aufgeschlagen ist. Die netten Besitzer sind jedoch sehr zurückhaltend und wir haben eine angenehme Pause. Hinter dem Zelt kann man in der Ferne die Kunstwerke von Hansjörg Voth erkennen, die er in die Wüste baute: die Himmelstreppe, die Spirale und die Stadt des Orion. Da man, wahrscheinlich wegen des Massenandrangs in der Vergangenheit, nur noch mit Führer und Anmeldung in dieses Gebiet darf, verzichten wir aber aufgrund des schon fortgeschrittenen Tages auf eine nähere Erkundung. Kurz darauf fällt Thomas auf, dass an Kathis Alp der rechte Koffer das Weite suchen will. Die große Hauptbefestigungsschraube ist weg … wir sichern das Ganze mit Spanngurten und finden gleich 20 km weiter in Erfoud eine Mechanikerwerkstatt, die die passende Schraube aus einem herumliegenden alten Motor ausbaut und bei der Alp einbastelt (wir hatten natürlich alle anderen Schraubengrößen mit, nur nicht die "richtige").
Durch die grünen Oasen von Rissani geht es, immer weiter nach Süden. Kurz vor Merzouga führt uns der Weg weg von der Straße - 6 km Piste, anderes Hinkommen ist nicht möglich. Wir denken an Kathis Erfahrung mit der "Höllenpiste" eine Woche zuvor und überlegen, wie wir sie hintendrauf nehmen, dann zurück, das Moped holen und zu zweit wieder retour - alles Blödsinn, denn mutig meint Kathi: "Ich probier mal. Wenn das nicht geht, halte ich einfach an." Was soll man sagen - es folgt eine Wellblechpiste, die einem die Plomben aus den Zähnen rüttelt. Da hilft nur eins: die Kopfsperre lösen und statt langsamer werden - entgegen des üblichen Instinkts - beschleunigen, und schon wird die ganze Fuhre ruhiger. Bloß haben wir das Kathi vorher nicht erzählt, da wir nicht mit Wellblech gerechnet hatten - aber sie fährt einfach bis zum Erg durch. Großes Lob folgt sofort! Und die "Belohnung" auch: Im tollen Hotel gibt es Luxus pur, wir verzichten zwei Tage aufs Campen. Vom Bett und der Terrasse aus Blick auf die wundervollen roten Dünen - wir erzählen nicht lang, guckt euch die Bilder an.
Das Hotel ist mit nur wenigen Gästen belegt, ein paar Franzosen mit Geländewagen und einer Gruppe von Mädels, die von Tina Meier (sie ist vor zwei Jahren leider am 2. Tag bei der Paris-Dakar ausgeschieden) gecoacht, erste Offraod-Erfahrungen im Erg machen.
Es muss wieder nach Norden gehen, auch vier Wochen Zeit wollen aufgeteilt sein … Kathi flitzt wie selbstverständlich die lange Piste zur Straße nach Erfoud. Ist eben alles Gewöhnungssache! Wir werden die östlichen Ausläufer des Hohen Atlas durchqueren, nachdem wir dem schönen Oasental des Flusses Ziz gefolgt sind. Dort nehmen wir am Vormittag noch eine Cola und den obligatorischen O-Saft zu uns, in einem Straßenlokal mit einheimischer Beschallung. Die sind wir zwar bereits gewohnt und sie ist auch manchmal richtig melodisch für unsere Ohren, aber das, was wir hier zu hören bekommen, übertrifft alles: eine Mischung aus gequältem Jammern, Aufheulen und angezogenen Seufzern in allen Disharmonien, die der Sängerin zur Verfügung stehen. Und das Ganze in einer ordentlichen Lautstärke, was die 5W-Boxen eben hergeben, damit auch die Besucher des angrenzenden Wochenmarkts in den Genuß kommen. Wir stellen uns vor, wie wohl der Text lautet, kommen aber zu keinem angemessenen Ergebnis. Es muss etwas mit sehr schwerem Verlust zu tun haben ...
An der Quelle Source Bleu de Meski machen wir wieder einen Stopp. Eine unterirdische Quelle, die einem Fels entspringt, füllt einen Pool, der dadurch jeden Tag das Wasser einmal ausgetauscht bekommt. Weil die Quelle in der trockenen Umgebung hier das ganze Jahr über niemals versiegt, werden seit alten Zeiten regelmäßig Kerzenopfer von den Frauen dargebracht - damit das auch so bleibt!
Die Strecke führt weiter bergauf, die Landschaft wechselt in Grand Canyon-Muster. Wundervoll, fast ohne Verkehr geht es viele km in Richtung Passhöhe. Meine weiße Alp hat aber den letzten Sprit wohl nicht so ganz vertragen, sie ächzt und eiert mit nur noch 70 km/h die Steigungen hinauf. Egal, solange sie nicht stehen bleibt und mir damit ein größeres Problem bereitet, muss sie dadurch. Und ich eben auch. Aber irgendwann sind wir oben, und beim Runterfahren pustet sie sich wieder frei. Wir machen für die Nacht Station in der Kashba Asmaa. Die Mopeds werden im Innenhof geparkt, der Boden ist mit glatten Fliesen ausgelegt, und Kathi´s Alp gerät ins Wanken und kippt ihr um. Da sie geistesgegenwärtig einfach abspringt und sie fallen lässt, gibt es auch keine Blessuren. Am Moped übrigens auch nicht. Dann zum Tee! Die gereichten Pralinen füllen sich wie von Zauberhand immer wieder nach, bis uns fast schlecht ist. Kathi meint, ich soll doch welche für abends mit aufs Zimmer nehmen, aber das habe ich ja auch schon gemacht … die Dinger müssen wohl weg!
Am folgenden Tag schlagen wir die Richtung nach Fes ein. Wieder eine tolle Tagesfahrt, diesmal über den Mittleren Altas. Wieder ein Pass von 2.100 m Höh, der Tizi n´Talrhemt, mit eindrucksvollen Hochtälern, in denen Weidewirtschaft betrieben wird und in deren Flüssen geangelt wird - unter anderem die Atlas-Forelle (äußerst wohlschmeckend übrigens). Hier beginnt der große Zedernwald Marokkos mit alten Baumriesen, von denen jeder wie eine eigene Persönlichkeit erscheint. Die Luft ist wunderbar, die Straßen - noch schöner. Wir machen wieder eine Pause, um die gehorteten kostbaren Dulces (Pralinen) und unser übliches Pausenfutter zu verspeisen.
Dann liegt in einem großen Talkessel 800 m unter uns die alte Königsstadt Fes.
Die Suche nach dem Camping in Fes wird nicht so einfach, weil die im Führer angegebenen Koordinaten zu einem Hotel im Norden der Stadt, nicht aber zum Camping im Süden gehören. Und das ist nicht ganz so lustig, weil wir wieder 12 km zurück durchs Getümmel müssen … Kathi ("Och nee, gibt´s denn HIER keinen Campingplatz?!" "Nein, gibt es nicht.") bekommt einen O-Saft, und mit nur noch leisem Murren stürzt sie sich mit uns hinein ins Verkehrschaos bis zum Camp.
Die Medina von Fes, innerhalb der alten Stadtmauer gelegen, ist wunderbar. Orientalisch, verwinkelt, bunt, laut und malerisch. Wir fahren an einem Tag mit dem Bus die 6 km in die Stadt, für 3 dh pro Person (27 Cent). Und wir wagen es, ohne Führer die Medina zu erobern, was wirklich eine Leistung ist! Für unsere europäischen Sinne herrscht hier ein solches Durcheinander an Gassen, und das Ganze auf 1 km x 800 m, dass man meinen könnte, es geht nie in die richtige Richtung, geschweige denn wieder hinaus! Trotzdem finden wir die Moschee, das Färber- und das Gerberviertel sowie andere schöne Sehenswürdigkeiten, die man in der Enge aber erst sieht, wenn man 2 m davor steht. Uns erscheint es hier bei Weitem nicht so touristisch wie in Marrakech, den ersten Touristen erspähen wir von einem schönen Dachterrassen-Café aus erst nach 2o Minuten. Auch das Warenangebot ist nicht touristisch, sondern auf die Bewohner abgestimmt und recht authentisch: Dinge des täglichen Gebrauchs, Obst und Nüsse in 1.000 Variationen, lebende Hühner samt Eiern, tote Hammel, Schneidereien, Schuhmacher, Weber, Kupfertreiber, Wasserverkäufer, Juweliere und Tuchmacher, alles halbwegs "sortiert" in Souk-Vierteln zusammen gefasst. Am Abend dann nehmen wir ganz luxoriös ein Taxi, dass uns für 20 dh zurück zu den Zelten fährt.
Das Großstadtgetümmel mal wieder hinter uns lassend, machen wir uns nach ein paar Tagen auf ins Rif-Gebirge, wir haben uns die kleine Bergstadt Chefchaouen ausgeguckt.
"Tranquile, Tranquile" so begegnen einem die Marokkaner, wenn es mal wieder zu zügig geht und schon haben sie einen wieder runtergeholt von dem hektischen Gehabe, das man anscheinend zu oft an den Tag legt. Und so sitzt Mann entspannt und tranquile in einem Café außerhalb der Medina. Man hört typische Geräusche: Das gelegentliche Gehupe auf der Straße, den Moderator im Fernseher, der auf einen arabischen Sportsender eingestellt ist und der entsprechend der gezeigten Spielsituation neutral bis enthusiastisch ins Mikrofon schreit, Jugendliche mit ihren Handys, auf denen sie sich gegenseitig die Marokko-Top-40 vorspielen. Es gewinnt der, der das lauteste Handy hat. Weit im Hintergrund der Presslufthammer, aber es ist nicht störend, sondern mischt sich passend in den Gesamt-Geräuschteppich. Außerdem hört es nach wenigen Minuten auf - Pause. Welch gute Entscheidung hat Mann doch getroffen, die beiden Damen alleine auf Beutezug durch die Souks zu schicken.
Tranquile - ja, das trifft die Situation.
Chefchaouen hatten wir eigentlich gar nicht auf dem "Plan". Ein Franzose auf dem Campingplatz in Fes hat fast drauf bestanden, daß wir die Stadt besuchen sollten und auf Grund seiner eindringlichen Beschreibung ändern wir den Plan und die Route. Statt wieder nach Asliah fahren wir nach Chefchaouen, zum Glück. Man kann nicht sagen, daß wir uns im Laufe der Reise immer schönere Plätze erfahren haben, stattdessen erfahren wir immer andersartige, wundervolle Orte in diesem Land, das so vielfältige Landschaften, Städte und Menschen bietet. Damit haben wir nicht gerechnet und wir bereuen ein wenig, "nur" vier Wochen zu haben, denn es gibt hier noch soviel zu entdecken, zu erfahren … Wir sind nicht das letzte Mal in diesem einmaligen Land.
So nun auch in Chefchaouen, das uns wie eine gelungene Mischung aus Santorin und dem orientalischen Gegenstück zum frühen Ibiza vorkommt.
Tranquile - manche sind dann auch so hinterm Steuer. Vielleicht sogar zuviel tranquile, da mit Tranquilizer vollgestopft, so fährt ein älterer Marokkaner Kathis parkendes Motorrad an, zwar ganz tranquile, aber auch ganz schön ärgerlich. Sein Wendekreis ist nicht eng genug, um die 180 Grad-Kurve ohne zu schalten zu befahren, also muß das Motorrad weichen. Wir sind hier im Rif-Gebirge und der Alte scheint das angebaute Zeug hier selbst zu konsumieren, setzt er doch ein Stück zurück, um dann erneut vor die Koffer zu fahren. Anscheinend ist die Qualität des Rauschmittels ausgezeichnet. Erst als Susanne schreiend auf ihn einstürmt und mit diversen Flüchen belegt, scheint er kurz aus seinem Dämmerzustand zu erwachen - aber ganz tranquile halt, und so setzt seine Fahrt ohne erkennbaren Zwischenfall fort, bis wir ihn um die nächste Häuserecke biegen sehen. Eigentlich sollte man was von dem Kraut bestellen, welches der Alte geraucht hat und für passende Situationen aufheben: Anmeldungen im Straßenverkehrsamt, Abendnachrichten anschauen, Interviews mit Politikern lauschen, Interviews mit Fußballspielern direkt nach dem Abpfiff, Rechnerprobleme, da kommen schon eine Reihe passender Gelegenheiten zusammen - aber Mann schweift ab.
Wir waren bei Chefchaouen stehengeblieben. Ein wunderschönes Städtchen und für jeden Marokkoreisenden zu empfehlen. Untergekommen in der Familienpension Ahrazen im kleinen Zimmer auf der Dachterrasse, die wir uns mit einer Schildkröte, einem Hündchen, mehreren Tauben und einem Katalanen friedlich teilen, geniessen wir den Ausblick auf die Stadt. Morgen geht es dann in aller Frühe nach Tanger. Hoffentlich ist die Straße ähnlich eindrucksreich wie die Route von Fes nach Chefchaouen, wenn man der N13 nach Norden folgt. Man fährt durch Alpentäler, die in der Zeit vor 100 Jahren stehen geblieben sind. Wir folgen einem Fluß und jede Kurve hält an ihrem Ende neue Ausblicke für uns bereit. Wenig Verkehr auf der Straße läßt ein höchst entspanntes - oder sagt man hier tranquilles - Fahren zu.
Ach ja, da war noch was, Mann hat sich ja verdrückt und feiert seinen Geburtstag in Chefchaouen. Nach der Geburtstagskerze am Morgen auf dem obligatorischen Yes-Torty wird auf der Dachterrasse des Aladin beim zweiten Frühstück mit einer Auswahl an marokkanischen Patisserieerzeugnissen gefeiert. Eingeladen sind Kathi und Susanne - es gibt schlechtere Orte, um einen Tag älter zu werden.