Mit Geduld und Zeit ... (21.9.17)

 

... wird aus dem Maulbeerbaum ein Seidenkleid - Karl Simrock.

Tja, das Fergana-Tal. Zweimal hatten wir bereits Usbekistan bereist, aber dieses riesige Tal im Norden des Landes war für uns noch ein weißer Fleck auf der Landkarte. Viel hatten wir von dem Tal gehört: fruchtbares Land in der trockenen Steppe, interessante Landschaften. Wir empfinden es dann etwas anders: die Bäume voller Obst, aber keine Obstverkäufer. Plattes Land mit Monokulturen von Baumwollplantagen, von denen wir wissen, dass sie Unmengen an kostbarem Wasser verschlingen.

Und nicht zuletzt dafür sorgen, dass der Aralsee bald nur noch auf dann historischen Karten nach Wasserfläche aussieht. Und warm ist es hier. Wir haben es ja schon geahnt, als wir die Grenze von Kirgistan nach Usbekistan unter die Räder nahmen … bei über 40 Grad tagsüber schaffen wir es ein paar erfrischende Male, uns tagsüber in Pools von irgendwelchen Hotels „einzumieten", die auf dem Weg liegen. Die lauen Abende bei knapp unter 30 Grad sind traumhaft schön. Wir stehen irgendwo hinter Dünen, in Feldwegen oder sonstwo, um der Sonne zu danken, dass sie untergeht. Dass wir als Niederrheiner mal so etwas denken … Schlafen ist etwas schwierig bei den Temperaturen, seit ein paar Monaten schließen wir das Riesenfenster im Dach sowieso nicht mehr ausser beim Fahren. Hat den zusätzlichen Vorteil, dass wir schon eine Menge Sternbilder kennen.
Ich funktioniere eine Pumpsprayflasche zur Wasserpistole um. Der kosmetische Inhalt wandert solange in eine alte Limoflasche. Mit der Sprayflasche können wir uns während der Fahrt durchs Land permanent nass halten.

Zwei Wochen später - ja, wir sind zäh und ausdauernd - fangen wir an, uns nach Klimaanlagen für LKW-Fahrerkabinen umzusehen. Das touristische Ausflugsprogramm schraubten wir bereits auf ein Minimum zurück, aber die Seidenfabrik Yodgurlik in Marghilon muss es dann schon noch sein!
Gleich morgens um 8:30 Uhr stehen wir auf der Matte. Ein netter Führer zeigt uns die ganze Manufaktur, wir lernen viel über das Seidenraupen-Aufpäppeln, das „Abwickeln" der imposanten Tierchen, wie man anschließend ihre Seide verspinnt (drei bis vier Kilometer pro Raupi - wir sind sehr beeindruckt!) und wie die hauchdünnen Fädchen nach etlichen Prozeduren gefärbt und zu Stoffen verwebt werden.

Von solchen Dingen wie Seen und Schwimmbädern können wir ein paar Sonnenauf- und -untergänge später in Kasachstan nur träumen, unsere Dusche an Bord in ein kostbarer Schatz. Kamele sind wieder ständige Wegbegleiter durch die scheinbar endlose Steppe. 3.500 km durchqueren wir das Land von Ost nach West, machen dabei einen Umweg über das nördlich gelegene Oral, um den zum Teil grottenschlechten Pisten quer durchs Land weiter südlich zu entgehen. Denn unter 60 km/h fahren geht nicht, dann fehlt der (heiße) Fahrtwind ja auch noch. Aber es hat auch etwas Meditatives, wenn sich über den Tag nur der Sonnenstand und die Koordinaten ändern - stundenlanges Dahingleiten bei Chill-Musik …
Wir freuen uns auf Russland - und das soll uns nicht enttäuschen. Die Zöllner sind gründlich, aber schnell in ihrer Arbeit und herzlich zu uns. Die Russen in den Dörfern und Städtchen sind noch herzlicher, gleich am ersten Abend in einem Dorf, dessen Platz wir zum Schlafen auserkoren haben, lädt uns die nette Dame, die gerade mit Blumengießen in ihrem Gärtchen beschäftigt ist, zu Tee und Snacks in ihr Haus ein. Die 24-jährige Tochter kann sogar ein paar Brocken Englisch, und zusammen mit unseren Russischkenntnissen wird eine sehr witzige Teestunde daraus.

 

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