Iran - Wir sind drin

05.05.2013

Wir sind gestern bei Dogubeyazit/Bazargan über die Grenze in den Iran eingereist. Wir waren uns gar nicht so sicher, ob uns das gelingen wird, denn die Internetgerüchteküche verbreitete in den letzten Monaten Informationen, denen zufolge wegen der anstehenden Wahlen keine Einreise für "Individualisten" möglich sei. Wir waren also recht (an-)gespannt, als wir über die weite Ebene auf die Grenze zurollten.
Vor dem Übergang sahen wir bereits eine um die 2 km lange wartende LKW-Schlange, die wir überholten, um dann ziemlich allein an der Schranke, nein, es war ein mächtiges Metallgitter, zu stehen. Die Beklemmung wich aber, als wir von den Beamten freundlich von einem Büro zum nächsten gereicht wurden und überall willkommen geheißen wurden. Ich war sehr befangen in meinen Motorradklamotten und hatte mir als Zugeständnis wenigstens einen Kopfschal angelegt - damit laufe ich immer noch herum (habe inzwischen drei Modelle) und das scheint völlig ok zu sein. Aber zurück zur Einreise. Wir hatten zwar den üblichen Grenzbüro-Marathon bei den verschiedenen Stempelstellen zu erledigen, aber alle Schreibtische lagen im Umkreis von 100 m und wir waren nach etwas über einer Stunde durch- inklusive der Ausreise aus der Türkei.

Nun sind wir in Täbriz, und die leider für die Iraner schlimme Inflation ist ein Segen für uns - der Kurs fällt und fällt. Für einen Liter Benzin zahlen wir 17 Cent, für ein komplettes Essen 4,50 für uns beide. So können wir uns heute auch ein richtig klasse Hotel leisten, in das wir uns vor dem Stadtverkehr retten können, denn der ist die Hölle. Da wollen wir nicht näher drauf eingehen, aber so einen Kamikaze-Fahrstil haben wir noch nicht erlebt. Morgen geht´s wieder auf´s Land!

Facebook ist im Iran übrigens gesperrt, und wir haben noch keine "Umgehung" gefunden. Dort werdet ihr also vorerst nichts von uns hören können!

 

Durchs "Wilde Kurdistan"

01.05.2013

Vorweg gesagt: Wenn man mit "wild" die kurdische Bergwelt meint, liegt man richtig. Wenn man seine Bevölkerung meint, absolut daneben. Hilfsbereitschaft, Zuvorkommenheit und Freundlichkeit begegnen uns hier wie überall in der Türkei jeden Tag aufs Neue. Nun sind wir in Kurdistan angekommen, im Land, das auch Mesopotamien oder Zweistromland genannt wird. Wir wollen einige Tage am Berg Nemrud verbringen, und so gilt die erste Aktion der Suche nach einem geeigneten Übernachtungsplatz in seiner Nähe. 

...

Weiter nach Osten - wir verlassen irgendwann den schönen Campplatz bei Artemesia und erreichen um 8:30 Uhr morgens die Fähre über den riesigen Atatürk-Stausee. Sie ist relativ klein, aber vollgestopft mit PKW und Minibussen, und wie immer sind wir die einzigen Touris weit und breit. Wir dürfen als letzte rauf, denn da wäre eh´ kein Platz mehr für einen ganzen PKW gewesen. Als wir am anderen Ufer ankommen, geht es rückwärts wieder runter von dem Fährboot, meine Lieblingsübung.

Auf endlosen Steppenwiesen, auf denen der duftende Klee kilometerweit blüht, sehen wir nichts als vereinzelte Schaftherden oder Bienenzüchter (wen wundert´s …). In 50 km Entfernung können wir bereits von einem Hügel aus die einzige Stadt in der Umgebung ausmachen, in der wir auch wieder volltanken können. Uns auch, denn es gab noch kein Frühstück heute! Hinter Diyanbakir beginnt die Kornkammer der Türkei.

Am nächsten Morgen werden wir - recht untypisch für das türkische Hochland - von Möwenkreischen geweckt. Heute wollen wir die letzte Stadt vor der iranischen Grenze erreichen - Dogubayazit mit seinem berühmten Ishak-Pasha-Palast, einer alten Zollstelle der Seidenstraße. Er wurde im 17. Jhd. vom herrschenden Pascha auf einer in die Ebene ragenden Bergnase errichtet - mit damals 366 Zimmern und in orientalischer Schönheit. Die eindrucksvolle Strecke in die Hochebene von Dogubayazit führt uns keine 300 m von der iranischen Grenze entfernt durch Halbnomaden-Dörfer, Schneefelder und über einen 2.600 m hohen Pass, und dann liegt mit einem Mal die von Bergen eingekesselte riesige Ebene vor uns - mit dem mächtigen, bildschönen Ararat im Hintergrund, der majestätisch mit seinem schneebedeckten Gipfel (5.100 m hoch) über der Ebene zu schweben scheint. Wir tauchen ein in die quirlige Grenzstadt und finden ein nettes Hotel, um unsere Route durch den Iran planen zu können. Am 03. Mai wollen wir einreisen, und wir sind so gespannt, was uns dort erwarten wird!

Zum Abheben - Von Kappadokien nach Mesopotamien

27.04.2013

Nur noch 30 km Küstenstraße haben wir zu fahren, bevor wir ins Landesinnere nach Zentralanatolien abbiegen werden, da gerät die Alp auf gerader Strecke mächtig ins Schlingern - von Spurrillen keine Anzeichen, ich bringe die ganze Fuhre wie auf Moosgummi unterwegs am Straßenrand unter einem schattigen Baum zum Stehen. Die Diagnose ist schnell gestellt: ein richtig dicker Plattfuß - natürlich am Hinterrad. Ich lade erst einmal das Gepäck ab, denn die Alp hat leider keinen Hauptständer. Thomas nimmt die Sache in die Hand und baut das Hinterrad aus, was auch prima klappt, nachdem wir das Motorrad hinten mit Hilfe von Seitenständer und untergeschobenem Alukoffer anheben. Gerade haben wir den Mantel runter und wollen das Loch zum Flicken orten, da hält neben uns ein älterer Herr auf seinem Mofa. Schnell ist die Ursache für den unfreiwilligen Stopp gefunden, ein richtig dicker Nagel steckt bis zum Kopf im Mantel. Noch bevor wir das Flickzeug auspacken können, bedeutet der nette Türke Thomas, mitsamt Rad hinten auf sein Moped zu steigen, und die beiden entschwinden … dabei ist heute Sonntag, und kaum ein Geschäft oder eine Werkstatt hat geöffnet. Nach 15 Minuten tauchen sie wieder auf - der Reifen ist fachmännisch geflickt und kann wieder montiert werden! Ich bedanke herzlich mich mit Keksen und wenigstens einer kleinen Benzinbeteiligung für seine Mühe.

Schnell erklimmen wir die ersten 1.000 m des Taurus, da wird der Himmel über den Bergen so schwarz, wie wir es selten gesehen haben. Die Temperatur fällt in den Keller, und gerade noch rechtzeitig, bevor ein mächtiges Gewitter mit sintflutartigem Regen niedergeht, erreichen wir eine hölzerne Gaststube, wo wir unsere Motorräder auf der überdachten Veranda parken dürfen und uns ein Plätzchen zum Tee trinken und essen angeboten wird. Schnell bessert sich das Wetter wieder und am Nachmittag erreichen wir einen Camp-Platz in Kappadokien mit seinen fantastischen Tuffsteingebilden auf 1.200 m Höhe, die man auch Feenkamine nett. Seit nahezu 1.300 Jahren werkelten die Menschen (vorwiegend Christen) daran, sich hier unterirdische Städte von riesigen Ausmaßen, Kirchen, Lagerstätten und Wohnhäuser in die Felsen zu meißeln. Viele Kirchen sind zu besichtigen, die schönsten sind in einer Art Open Air-Museum gesichert, denn die Malereien darin sind einzigartig und so alt wie die Besiedelung. Bei einer Wanderung durch die unwirklichen, mit blühenden Apfel- und Aprikosenbäumen bewachsenen Täler entdecken wir überall verlassene Höhlen, die wir erkunden können oder einige, die noch bewohnt sind oder zur Lagerung von Früchten genutzt werden. Die Landschaft könnte auch gut zu Mittelerde passen und von J.R.R. Tolkien selbst entworfen worden sein...

Als wir am ersten Morgen aus dem Zelt schauen, glauben wir unseren Augen nicht zu trauen - der Himmel ist voller Ballons! Und da Thomas am nächsten Tag Geburtstag hat, heben auch wir morgens um 6 Uhr ab. Ein unbeschreibliches Erlebnis in dieser Landschaft! Wir fahren mit unserem "Piloten" durch die tiefen Taleinschnitte, so dass wir denken, das ist doch nicht möglich, um kurz darauf auf 800 m über Grund zu steigen. Einige Tage bleiben wir an diesem schönen Platz und lernen nette Leute kennen, die entweder auf dem Weg nach Südafrika sind oder gerade mit einem umgebauten Omnibus aus den 70ern aus Indien kommen, bevor wir über Krefelds gepflegte Partnerstadt Kayseri weiter Richtung Osten rollen. Bald wird das Rollen allerdings zum Klettern, als wir keine Lust haben, die Hauptstraße nach Adiyaman zu benutzen. So schraubt sich ein kleines Bergsträßlein die Pässe hinauf, und bald schon endet der Asphalt. Leider sind wir auf einer Baustellenstraße unterwegs, das erklären uns nach zehn Kilometern nette Bauarbeiter. Die Strecke soll im weiteren Verlauf noch unpassierbar sein, also wieder zurück den Berg runter und eine andere Abzweigung probiert. Nun sind wir richtig: 50 km ungesicherte Schotterstrecke geht es an den steilen Berghängen entlang mit Schlaglöchern, die zum Teil so tief wie Duschwannen sind, wir krabbeln hinauf und wieder hinunter. Und ich habe fünf rohe Eier fürs nächste Frühstück im Gepäck! Die sind aber in einer Plastiktüte in der Packtasche, die auf dem Alukoffer festgemacht ist (und alle bleiben tatsächlich heil wie sich am Abend herausstellt!). Die Aussichten, die wir dabei genießen, wenn wir gerade nicht auf den Weg achten müssen, sind atemberaubend, so schön haben wir uns den Hohen Taurus gar nicht vorgestellt. Unser Ziel soll für heute der heilige Berg Nemrut sein!

Side/Türkei

18.04.20013
Unser Vorhaben, gleich nach dem Frühstück von Patara aufzubrechen, wird durch ein Mordsgewitter ausgebremst. Na, lieber noch hier auf der überdachten Terrasse verweilen, als von den herunterkommenden Hagelkörnern verbeult zu werden! Der Vater unseres Gastgebers greift flugs zur Bosch, um den Regenmassen, die von hinten über die Terrasse strömen, einen Weg zu bahnen. Und zwar dadurch, dass er dicke Löcher in den Terrassenboden bohrt. Gar nicht so einfach, denn ständig fällt der Strom aus, was sogar der hiesige Muezzin beim Versuch, das Gebet auszufufen, zu spüren bekommt, als laufend die Lautsprecheranlage am Minarett ausfällt. Aber bald verziehen sich die Wolken, und wir folgen im Trockenen der Küstenstraße nach Osten. Die Strecke führt nach einiger Zeit auf 500 m Höhe durch die Ausläufer des Taurus, und nach einer Kurve geraten die Fuhren mächtig ins Schlingern. Die ganze Fahrbahn ist mit Hagelkörnern bedeckt! Alles gut gegangen, damit haben wir nicht gerechnet (tun wir aber in Zukunft) und mit Schleichtempo geht es durch das unverhoffte Weiß. Immerhin 5 cm hoch liegt der Mist …
Wie schon bei einem kurzen Abstecher ins Zentrum vom schön in einer Bucht gelegenen Marmaris versuchen wir im Zentrum von Kemer, an ein neues Teleobjektiv als Ersatz für unser zerstörtes zu kommen. Fehlanzeige - lustig sind aber die netten Unterhaltungen mit deutschen Touristen, die uns auf der Straße ansprechen (Was, ihr seid mit den Motorrädern hier? - Antwort: Wie, ihr seid mit dem Bus hier?)!
Weiter geht es im Sonnenschein - Antalya erscheint uns als Millionenstadt in Sachen Objektivbeschaffung sehr vielversprechend zu sein. Der Verkehr beängstigend, bahnen wir uns mit unseren bepackten Mopeds einen Weg, denn rücksichtslos wird im Feierabendverkehr gedrängelt, geschubst und geschnibbelt, und die permanent eingesetzte Hupe dient den Autofahrern hier nicht ausschließlich dazu, seine Kumpels zu grüßen. Richtig bedenklich finden wir es, als sich von hinten ein Ambulanzwagen im Einsatz seinen Weg zu bahnen versucht - die Hälfte der Fahrer bildet eine Gasse, die andere Hälfte nutzt die Gasse, um sich vor den Rettungswagen zu drängeln und alles hoffnungslos zu verstopfen. Noch 10 Minuten später steht dieser Wagen gerade mal 50 m vor uns im Stau, echtes Unglück für den Patienten.
Das gewünschte Objektiv gibt es hier bei Garanti Elektronik, eine Empfehlung eines türkischen Ladeninhabers, natürlich nicht.
Einige Kilometer vor Side erwischt uns ein Wolkenbruch, und bereits im Dunklen kommen wir in der Stadt an. Side kennen wir aus Prospekten als Hochburg des Massentourismus, und richtig: Bereits 20 km, bevor das Navi den Ortskern erkennen lässt, reiht sich Riesenhotel an Monsterunterkunft. Nicht ganz so hässlich wie zum Teil an der spanischen Küste, aber die Ausmaße sind durchaus vergleichbar. Was sollen wir machen - es regnet, es ist dunkel, also her mit einer Unterkunft. Und wenn schon, dann ganz mittendrin. Überraschenderweise passieren wir nun antike Ruinen, keine Spur mehr von Riesenhotels. Statt dessen sehen wir am Beginn der kleinen Landzunge, auf der seit 2.800 Jahren Alt-Side liegt, gleich gegenüber des alten Amphitheaters eine geöffnete Schranke. Wir knattern durch, fahren durch verlassene enge Gässchen, vorbei an bereits geschlossenen Läden bis zur trotz des Regens malerischen kleinen Strandpromenade. Hier, am Ende des Landes, entdecken wir zwischen anderen kleinen Häuschen das hübsche Beach House Hotel, und nachdem Thomas im Regen des Preisvergleichs wegen noch Erkundigungen in zwei benachbarten Pensionen eingeholt hat, platschen wir triefnass am Rezeptionisten und an zwei verdutzten Kellnern vorbei in ein sehr nettes Zimmer. Ein perfekter Stützpunkt, um trocken zu werden und sich in Ruhe der theoretischen Objektiv-Neubeschaffung zu widmen (d.h. per Internet, möglicher Postversand, Mitnahme durch Reisende, Kauf in der Türkei …)!

Side ist eine Nummer für sich - immer noch erkennt man in der Altstadt Cafés und Restaurants, die aus den 70ern stammen, der "Gründungszeit" des Tourismus hier. Sie sind es, die uns anziehen, mit ihren zusammengewürfelten Tischen und Korbstühlen, der Reggae-Musik, den Abhänge-Lümmelecken mit Kissen und Teppichen und der tollen Wirtlichkeit. Und dann gibt es hier den Rummel um die "Original Kopien", die tatsächlich so angepriesen werden. Da noch keine Saison ist, stürzen sich alle Verkäufer mit Wonne auf uns. Aber am dritten Tag kennt man uns und weiß auch meistens schon, dass wir mit den Motorrädern unterwegs sind und sowieso nichts mit uns rumschleppen können, und so versuchen nur noch die Uhrenverkäufer, ihr Geschäft mit uns zu machen (bisher vergeblich).
Nachdem sich nun herauskristallisiert, dass wir uns von Deutschland aus per UPS ein Objektiv zusenden lassen können, warten wir hier drei (sehr angenehme) Tage ab. Nichts, was auch nur annähend nach UPS aussieht, erreicht uns. Die Kommunikation mit den verschiedenen Beteiligten erspare ich mir an dieser Stelle … Da wir mal wieder weiter wollen, lotsen wir das Päckchen in die Zentraltürkei um, nach Kappadokien. Mal sehen, ob es uns jemals erreichen wird!

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